Freitag, 4. Oktober 2013

Das Fräulein Grete Meier kratzt die Kurve



Das Fräulein Grete Meier kratzt die Kurve



"Und?" Heidi Seelig war ganz aufgeregt. "Wirklich, sie sehen zehn Jahre jünger aus, erzählen sie doch mal!" Das Fräulein Grete Meier lächelte fein. "Super war es, Frau Seelig, total entspannend. So wie sie es gesagt haben. Wirklich ein tolles Geschenk von allen. Danke nochmal." Sprach´s und machte, dass sie aus der Küche kam. Besser is, dachte die Grete. Nicht dass die Heidi noch lauter Einzelheiten wissen will. Aber die dachte gar nicht daran und nahm gleich Susi in Beschlag. Schließlich musste die doch auch wissen, warum die Grete auf einmal so verjüngt aussieht. Grete war das mal gleich egal. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, froh aus der Schusslinie zu sein.  Ein bisschen hatte sie ja schon ein schlechtes Gewissen. Das stieg noch, als der Chef seinen Kopf aus dem Büro raustreckte. "So frisch heute Morgen, Frau Meier? Sieht man gleich wo sie waren. Meine Frau schwärmt ja auch davon. Fährt einmal im Jahr eine ganze Woche dahin."

Eine ganze Woche? Grete schüttelte den Kopf. Wie kann man es nur eine ganze Woche da aushalten. Sie selber hatte es nicht mal 5 Stunden geschafft. Und das auch nur mit Mühe und Not. Mehr als ein Jahr hatte sie die Aktion schon vor sich hergeschoben. Immer Ausreden erfunden. Irgendwann ging es nicht mehr und sie musste in den sauren Apfel beißen. Ein Tag auf einer Schönheitsfarm. Geschenkgutschein von den Kollegen und vom Chef zum Firmenjubiläum. Zwanzig Jahre. Gestern war es dann soweit gewesen.

Früh morgens ist die Grete mit dem Autochen losgefahren. Nach einer halben Stunde Fahrt kam sie auf der Beautyfarm Sonnenschein an und wurde freundlich begrüßt. In einem geräumigen Raum musste sie sich dann ausziehen. Ganzkörperpackung. Grete war das unangenehm. Zwanzig Minuten Einwirkzeit. Während die Grete eingepackt in Frischhaltefolie auf einer Liege ruhte, kamen immer mal wieder Frauen, die mindestens 10 Jahre älter waren als die Grete,  splitterfasernackt an ihr vorbeigehuscht. Grete fand das alles lächerlich. Was die hier wohl wollen, dachte sie bissig. Da ist doch nichts mehr knackig, aber Hauptsache die Muschi rasiert. Das blieb sogar der Grete nicht verborgen. Nach der Packung folgte ein Peeling und dann eine halbe Stunde Whirlpool. Und immer wieder dieses anderen nackten Damen zwischendurch, die kein Wort mit ihr redeten. War wohl ein kleines Grüppchen, was gemeinsam hier war. So viel konnte die Grete jedenfalls aus den Gesprächen raushören. Jedes Jahr treffen die sich für 5 Tage hier. Um schöner zu werden. 

Fußmassage, Pediküre, Rückenmassage. Alles ließ die Grete geduldig über sich ergehen. Dem Laufzettel, der ihr morgens schon übergeben wurde, konnte sie entnehmen, dass noch ein Mittagessen folgen sollte und danach Sauna,  Maniküre, eine Gesichtsbehandlung und ein Tagesmakeup. Das Fräulein Grete Meier wurde immer unruhiger. Was hätte sie alles mit der Zeit anstellen können, anstatt diese hier zu verschwenden! Mit Herrn Heinevetter in Ruhe eine Zigarette rauchen  und plaudern, der Frau Korters ein paar Bücher hochbringen, mit Luis in ihrer Küche spielen und und und. Stattdessen saß sie hier, nackig unter einem viel zu kurzen Bademantel, zwischen irgendwelchen alten Weibern die Sekt schlürften, und wartete auf ihr  Mittagessen. Kurzentschlossen handelte die Grete. "Sind se mir nicht böse, junge Dame", wandte sie sich an eine der netten Kosmetikerinnen. "Kann ich nicht das Mittagessen ausfallen lassen und die Sauna und sie ziehen alle anderen Behandlungen vor?" Die junge Dame sah Grete konsterniert an. Aber nur für eine Minute. "Sie fühlen sich hier nicht wohl, stimmt`s? Das habe ich vorhin schon gemerkt." Na jedenfalls sprach sie mit ihren Kolleginnen und unter Kopfschütteln wurde Gretes Plan ausgeführt. Kein Mittagessen, keine Sauna. Nur noch schnell Maniküre, Gesichtsbehandlung, also Pampe überall im Gesicht verteilt, und das Tagesmakeup. Sichtlich erleichtert atmete die Grete auf, als sie kurz nach zwei wieder in ihrem Autochen saß. Jetzt erstmal eine Zigarette. Und dann … nix wie nach Hause. Obwohl, dachte sie unterwegs, irgendwie ist es ja jetzt wie ein freier Nachmittag. Vielleicht doch noch etwas für die Seele tun und zum Café? Ein Blick in den Autospiegel hielt die Grete allerdings von diesem Plan ab. "Herrgottnochmal, wie sehe ich denn aus? Haben die den Verstand verloren?" Grete war fassungslos. Die Haare standen ihr wirr vom Kopf ab (kein Wunder, denn sie hatte ja zwischendurch immer mal wieder ein Handtuch um den Kopf schlingen müssen) während es um die Augen grün schillerte und ihre Lippen ihr in einem giftigen Orange entgegenstrahlten. Grete wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten, aber ihr Pullover war pink. Und dazu orange Lippen! Und dann diese dicke Puderschicht auf der Haut. Grete hielt am Straßenrand an. Kramte eine Packung Tempos aus ihrer Tasche und wischte sich das ganze Geschmiere aus dem Gesicht. "Nee, liebe Kollegen, ihr habt es gut gemeint. Aber Beauty, das ist nix für die Grete. Zumindest nicht auf so einer überkandidelten Farm."

Zuhause ließ sich die Grete dann ein Bad ein, angereichert mit Litamin Wellness-Salz Wolke, cremte sich von Kopf bis Fuß danach mit Niveamilch ein, wusch und fönte ihre Haare, schlüpfte dann in Hausanzug und dicke Socken, noch ein bisschen Wimperntusche und dann ab auf die Couch. Mit einem Krimi und Fertigpizza. Beautyfarm und Wellness vom Feinsten. Das würde sie allerdings im Büro nicht erzählen. Besser is.




Was Lieschen dazu sagt, könnt ihr hier nachlesen, spätestens morgen --->KLICK 

Das E-BOOK zu den Blogs - Doppelt gebloggt hält besser - KOSTENLOS HIER

12 Kommentare:

  1. Frl. Grete, ich habe mich gekringelt vor Lachen. Stellte mir das dumme Gesicht der
    Kosmetikerin vor, als du auf das Mittagessen verzichtet hast. Die anderen Damen haben es sicher geziert und mit abgespreizten Fingern zu sich genommen. Für mich ist so was ehrlich gesagt auch nichts. Allerdings auf meine wöchentlichen Massagen verzichte ich nicht. Schon aus Gesundheitsgründen.
    Den Rest des Tages, so wie du ihn verbracht hast, das was Wellness für Seele und Körper. Da hast du entspannt und mußtest dich nicht über die vorbeihuschenden Nackten aufregen.
    Eine schönen Restabend wünscht dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja, die nackten Damen hatten es in sich. Die haben am meisten gestört.
      Danke dir.
      Gruß vonner Grete

      Löschen
  2. Herliche liebe Grete, ich lach mich scheckig.
    Hast du wunderbar geschrieben.

    Liebe Abendgrüße
    Angelika

    AntwortenLöschen
  3. Meine Güpte - welch ein Kopfkino der Extraklasse.
    Grete inmitten dieser nackten Figuren, erst eingewickelt, dann im zu kurzen Mäntelchen und am Ende irgendwie verkleistert und "verbuntet"...
    Ich lach noch immer.
    Es gibt Geschenke, die es wahrlich in sich haben oder an sich, wenn man bedenkt, was die Grete an ihrem Körper dulden musste.

    Ich hätte im Anschluss bestimmt auch mein privates Wellness daheim betrieben.

    Nun, die Kollegen sind zufrieden und sehen...
    Hoffentlich gibt es bei nächster Gelegenheit nicht noch einen solchen Gutschein.

    Das ist klasse geschrieben und amüsante Abendlektüre. Danke!

    Lieben Gruß
    Enya

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich habe zu danken, liebe Enya. "Verbuntet'" ist toll. Das merke ich mir.
      Gruß vonner Grete

      Löschen
  4. Kein Wunder, wenn der Herr Heinevetter hernach fragen würde: "Und? Warum biste nicht drangekommen?"
    Mich würde es nicht wundern ...:-D

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nee, nee, der Herr Heinevetter ist dafür viel zu galant. Hoffe ich mal.
      Gruß vonner Grete

      Löschen
  5. Es ist nicht jedermanns Sache. Ich war mit meiner Tochter im März für fünf Tage in Bad Lippspringe, es war aber kein wirkliches Wellnesshotel, aber wir haben uns massieren lassen und auch eine Verschönerung war dabei. Es hat uns gut getan.... Überkandidelt mag ich auch nicht und eigentlich brauche ich diesen ganzen Kram auch nicht. Gretes Erfahrungen kenne ich so nicht lach..... Wieder ein toller Beitrag LG Geli

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich glaube auch, dass es etwas anders verlaufen wäre, hätte die grete eine Begleitung gehabt. Danke dir
      Gruß vonner Grete

      Löschen
  6. Liebes Fräulein Grete,

    das ist ja mal eine lustige Geschichte über den Wellnesshyp.Ich hatte letztes Jahr auch zum Jubiläum so einen tollen Gutschein bekommen. Mir ging es ganz genauso. In diesem 5 Sternetempel habe ich mich gar nicht wohlgefühlt und war froh dass es dann am Nachmittag vorbei war, wobei ich mich sehr gut an das Mittagessen erinnern kann das war ein Häppchen in Größe meines kleinen Fingers. Da gehe ich auch lieber mit Wollsocken und Pizza und einem Buch auf die Couch.♥

    Viele liebe Grüße

    die Kerstin die nun auch noch bei Lieschen vorbeischaut.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das Mittagessen war sogar sehr opulent. Aber so halbnackig am Tisch? Nein, nix für die Grete.
      Gruß vonner Grete

      Löschen

Da freut sich die Grete aber, dass du was zu sagen hast ...